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Deutsch-griechische Beziehungen stehen auf festem Fundament

Außen­min­is­terin Dora Bakojanni:
Deutsch-griechis­che Beziehun­gen ste­hen auf fes­tem Fundament

Im Inter­view mit Außen­min­is­terin Dora Bako­jan­ni erhielt GZ-Mitar­beit­er Gerd Höh­ler Antworten auf eine Vielzahl aktueller poli­tis­ch­er Fra­gen. Dazu zählen der Ein­stieg der Deutschen Telekom beim Fer­n­melde­un­ternehmen OTE, sowie die dies­bezüglichen innen­poli­tis­chen Reak­tio­nen. Weit­ere The­men des Gespräch­es waren die Hin­ter­gründe des Namensstre­its mit der früheren jugoslaw­is­chen Repub­lik Maze­donien, der Stand der griechisch-türkischen Beziehun­gen, die Chan­cen für eine Lösung des Zyper­nkon­flik­tes, die Beteili­gung Griechen­lands am rus­sis­chen Gaspipeline-Pro­jekt „South Stream“, die Bemühun­gen Griechen­lands zur Sicherung der Gren­zen Europas sowie zur Verbesserung der Sit­u­a­tion der immer zahlre­ich­er wer­den­den Migranten.

GZ: Frau Bako­jan­ni, wird das griechis­che Par­la­ment dem Ein­stieg der Deutschen Telekom bei OTE zustimmen? 

BAKOJANNI: Davon gehe ich aus. Die Abge­ord­neten sind vol­lauf informiert über die Vere­in­barung und den Nutzen, den die Deutsche Telekom für OTE und die kün­fti­gen Investi­tio­nen des Unternehmens bringt.

GZ: Aber auch in Ihrer Partei gibt es Vor­be­halte gegen die Beteili­gung der Telekom.

BAKOJANNI: Eine so bedeu­tende Vere­in­barung wirft immer Fra­gen auf, die beant­wortet wer­den wollen. Die Antworten, die Wirtschafts- und Finanzmin­is­ter Alo­gosk­oufis auf diese Fra­gen gegeben hat, sind vol­lkom­men überzeugend.

GZ: Ist die jüng­ste Schnüf­fe­laf­färe bei der Deutschen Telekom eine Belastung?

BAKOJANNI: Mit diesem The­ma muss sich die deutsche Jus­tiz befassen. Ich per­sön­lich bin der Mei­n­ung, dass es in keinem Fall zur Bespitzelung von Beschäftigten kom­men darf. Für mich ist das eine Frage des Prinzips.

GZ: Wenn die Vere­in­barung mit der Deutschen Telekom im Par­la­ment keine Mehrheit find­et, stürzt dann die Regierung?

BAKOJANNI: Ein so wichtiges The­ma wie dieses hat immer eine weit­erge­hende poli­tis­che Dimen­sion. In jedem Fall beste­ht für unsere Regierung keine Gefahr. Unsere Partei hat des Öfteren bewiesen, dass sie sich in wichti­gen The­men einig ist. Unser Zusam­men­halt ist größer als je zuvor.

GZ: Die sozial­is­tis­che Oppo­si­tion erk­lärt, sie werde im Fall ihres Wahlsieges die Vere­in­barung aufkündi­gen und OTE wieder unter staatliche Kon­trolle brin­gen. Müssen aus­ländis­che Inve­storen in Griechen­land sich Sor­gen machen?

BAKOJANNI: Die Oppo­si­tion gibt in dieser Auseinan­der­set­zung Erk­lärun­gen ab, die der Glaub­würdigkeit des griechis­chen Staates beim The­ma Investi­tio­nen nicht förder­lich sind. Ich glaube aber, alle Inve­storen sind in der Lage, zwis­chen der aktuellen parteipoli­tis­chen Rhetorik und der poli­tis­chen Sub­stanz zu unterscheiden.
GZ: Stre­it um den Ein­stieg der Telekom, Kor­rup­tion­ser­mit­tlun­gen bei Siemens Hel­las – wie sehr belastet das die deutsch-griechis­chen Beziehungen?

BAKOJANNI: Das Ver­hält­nis zwis­chen unseren Län­dern ist sehr gut und ste­ht auf fes­ten Fun­da­menten. Griechen­land und Deutsch­land haben tra­di­tionell aus­geze­ich­nete poli­tis­che und wirtschaftliche Beziehun­gen. Meine Antwort ist: Es gibt keine Belastung.

Idee von „Groß-Maze­donien“ gehört
in die Schublade der Geschichte

GZ: Griechen­land block­iert die NATO-Auf­nahme der früheren jugoslaw­is­chen Repub­lik Maze­donien (FYROM) wegen des Stre­its um den Namen Maze­donien. Warum darf sich Ihr Nach­bar­land nicht Maze­donien nennen?

BAKOJANNI: Maze­donien ist eine große geografis­che Region, die zu 51 Prozent zu Griechen­land gehört. 32 Prozent gehören zur FYROM, der Rest zu Bul­gar­ien. Diese Region hat eine Geschichte mit vie­len Alt­las­ten. Zu diesen Alt­las­ten gehört die Idee eines vere­inigten „Groß-Maze­donien“, die nach dem Zweit­en Weltkrieg von Stal­in und Tito ver­fol­gt wurde. Das war ein­er der Gründe, die zum griechis­chen Bürg­erkrieg führten. Diese Ideen gehören in die Schublade der Geschichte. Wir wollen den kün­fti­gen europäis­chen Balkan auf den neuen Fun­da­menten bauen und nicht auf natio-nal­is­tis­chen Konzepten der Ver­gan­gen­heit. Die FYROM ist das einzige Land der Region mit der­art extremen nation­al­is­tis­chen Ansicht­en. Wir sagen unseren Nach­barn: Sucht euch einen Namen, der deut­lich macht, dass ihr euren Staat vertretet und nicht ganz Maze­donien beansprucht.

GZ: Welchen Namen wür­den Sie vorschlagen? 

BAKOJANNI: Wir schreiben unserem Nach­bar­land keinen bes­timmten Namen vor. Es sollte ein Name sein, der einen geografis­chen Bezug auf Maze­donien enthal­ten kann, der aber den genan­nten Besorgnis­sen Rech­nung trägt. Das ist der Rah­men für einen ehrlichen und dauer­haften Kom­pro­miss in dieser Frage.

GZ: Wenn es tat­säch­lich diese nation­al­is­tis­chen Bestre­bun­gen bei Ihren Nach­barn gibt, was würde dann ein ander­er Name daran ändern?
BAKOJANNI: Wir befind­en uns in einem Teufel­skreis: Um den Namen „Maze­donien“ zu recht­fer­ti­gen, wer­den immer extremere nation­al­is­tis­che Argu­mente vorge­bracht. Wir müssen diesen Teufel­skreis durch­brechen. Wenn dieser Stre­it gelöst ist, kön­nen wir aus­geze­ich­nete bilat­erale Beziehun­gen haben. Wir sind der größte aus­ländis­che Investor in der FYROM. Griechis­che Unternehmen haben dort über 20.000 Arbeit­splätze geschaf­fen. Wir wün­schen uns eine Inte­gra­tion unseres Nach­bar­lan­des in die NATO und in die EU. Wir wollen in der Namensfrage eine Lösung find­en, die es uns ermöglicht, die Ver­gan­gen­heit hin­ter uns zu lassen und an der Zukun­ft zu arbeiten.

GZ: Aber wäre nicht ger­ade die Inte­gra­tion des Lan­des in die NATO und die EU die beste Garantie für gut­nach­bar­lich­es Verhalten? 

BAKOJANNI: Umgekehrt wird ein Schuh draus: Gut­nach­bar­liche Beziehun­gen sind eine Voraus­set­zung für eine Auf­nahme in NATO und EU. Das gilt für alle Beitrittskan­di­dat­en. Ein Land, dessen poli­tis­che Führung in ihrer Rhetorik die Idee eines Groß-Maze­donien propagiert, kann nicht Mit­glied der EU oder der NATO werden.

EU-Beitritt der Türkei käme
Lösung von Dif­feren­zen gleich

GZ: Mit der Türkei haben Sie viel ern­stere Dif­feren­zen: Da ste­hen Kriegs­dro­hun­gen und Gebi­et­sansprüche Ankaras in der Ägäis im Raum. Trotz­dem unter­stützen Sie die EU-Beitrittsver­hand­lun­gen der Türkei. Ist das nicht ein Widerspruch? 

BAKOJANNI: Über­haupt nicht. Denn die Türkei tritt nicht mor­gen der EU bei. Für die Türkei gilt wie für alle Kan­di­dat­en: Sie muss vor einem Beitritt bes­timmte Voraus­set­zun­gen erfüllen und die Recht­snor­men der EU übernehmen. Wenn sie das tut, wer­den sich die meis­ten unser­er Dif­feren­zen automa­tisch lösen.

GZ: Griechen­land bemüht sich seit nun neun Jahren um eine Annäherung an die Türkei. Sind Sie zufrieden mit den Ergebnissen? 

BAKOJANNI: Zur Zufrieden­heit gibt es keinen Grund. Wir haben aber einiges erre­icht, zum Beispiel bei den ver­trauens­bilden­den Maß­nah­men. Und zum ersten Mal seit 49 Jahren hat im Jan­u­ar ein griechis­ch­er Min­is­ter­präsi­dent die Türkei besucht. Natür­lich haben wir noch eine lange Wegstrecke vor uns. Und wir wer­den in dem Bemühen um eine Entspan­nung nicht nachlassen.

Bere­itschaft zu substantiellen
Ver­hand­lun­gen auf Zypern

GZ: Auf Zypern sollen dem­nächst neue Volks­grup­pen­ver­hand­lun­gen begin­nen. Gibt es dies­mal bessere Aus­sicht­en für eine Einigung?

BAKOJANNI: Was es jeden­falls gibt, ist die erk­lärte Bere­itschaft der griechisch-zypri­o­tis­chen Seite zu sub­stanziellen Ver­hand­lun­gen. Das Tre­f­fen der bei­den Volks­grup­pen­führer vom März ist eine gute Aus­gangs­ba­sis. Wichtig ist, dass bei­de Seit­en den Sta­tus quo nicht länger akzep­tieren, son­dern auf eine Über­win­dung der Insel­teilung hinar­beit­en wollen, einen aus zwei Zonen beste­hen­den Bun­desstaat. Ich halte eine solche Lösung für möglich.

GZ: Haben Sie den Ein­druck, dass die Türkei daran mitar­beit­en will? 

BAKOJANNI: Das wird sich zeigen. Im Augen­blick muss ich sagen, dass die Anze­ichen nicht sehr ermuti­gend sind.

GZ: Griechen­land will sich am rus­sis­chen Gaspipeline-Pro­jekt „South Stream“ beteili­gen. Sie beziehen bere­its jet­zt 80 Prozent Ihres Erdgas­es aus Rus­s­land. Haben Sie keine Angst vor ein­er zu großen Abhängigkeit vom Staatsmo­nop­o­lis­ten Gazprom?

BAKOJANNI: Es ist richtig, dass wir den Großteil unseres Erdgas­es aus Rus­s­land beziehen, wie übri­gens auch Deutsch­land. Wir arbeit­en aber auf eine Diver­si­fizierung unser­er Energiequellen hin. Wir haben Liefer­verträge mit Ägypten und Alge­rien geschlossen. Und wir ver­sor­gen uns nicht nur aus Pipelines. Schließlich ver­fü­gen wir über die welt­größte Flotte von Gastankern.

Nahezu aus­sicht­slos­er Kampf
zur Sicherung der EU-Grenzen

GZ: Ihr Land wird heftig kri­tisiert wegen des Umgangs mit Flüchtlin­gen, die in immer größer­er Zahl über die Ägäis auf Ihre Inseln kommen.

BAKOJANNI: Diese Kri­tik ist sehr ungerecht. Ich will Sie auf drei Punk­te hin­weisen: Wir sind ein Land mit mehr als tausend Inseln. Wir sind ein Land an der Periph­erie Europas. Und deshalb suchen sich die Men­schen­händler immer häu­figer unser Land aus, um ille­gale Ein­wan­der­er in die EU einzuschleusen. Wir führen einen nahezu aus­sicht­slosen Kampf, um die Gren­zen Europas zu sich­ern – einen Kampf, für den die griechis­chen Steuerzahler aufkommen.

GZ: Was tun Sie, um die Sit­u­a­tion der Migranten zu verbessern?

BAKOJANNI: Wir haben neue Auf­fanglager ein­gerichtet. Das Ergeb­nis war: Der Zus­trom ist noch weit­er angestiegen, weil sich das herumge­sprochen hat. Dessen ungeachtet wer­den wir weit­ere Auf­fanglager ein­richt­en. Wir wer­den Ärzte, Dol­metsch­er und Rechts­ber­ater ein­stellen, um die Rechte der Flüchtlinge zu gewährleis­ten. Ich kann Ihnen ver­sich­ern: Die Griechen nehmen großen Anteil am Schick­sal dieser Men­schen. Aber es ist ungerecht, dass Län­der, die wegen ihrer geografis­chen Lage in der Mitte Europas selb­st keinen Zus­trom von Flüchtlin­gen erleben, Griechen­land pauschal verurteilen. Wir brauchen eine engere, sol­i­darische Zusam­me­nar­beit in dieser Frage. Wir erwarten, dass jene Län­der, die nicht an den Außen­gren­zen der EU liegen, einen gerecht­en Teil der Las­ten übernehmen.

Quelle: Griechen­land-Zeitung, Athen  (www.griechenland.net)